GSG ermöglicht neues Wohnkonzept für Hausgemeinschaft ab 50 Jahren

Wohnst du noch oder lebst du schon? – so lautet der bekannte Werbeslogan eines schwedischen Einrichtungshauses. Passen würde dieser Slogan auch zu der Gruppe von Senioren, die sich in Neuwied für ein neues Wohnkonzept zum Verein gewoNR – Gemeinschaftlich Wohnen Neuwied e. V. – zusammengeschlossen haben. Gemeinsam alt werden und leben bis zuletzt, ohne einsam zu sein, ist das Motto des Vereins. Zum 1. Februar 2019 bezogen die Mitglieder 14 Wohnungen im Zeppelinhof. Eine Wohnung im Erdgeschoss – das große Wohnzimmer – dient allen zum Kontakt unter- und miteinander.

Vereinsgründerin und Initiatorin ist Hildegard Luttenberger, die sich seit 2007 mit alternativen Wohnkonzepten beschäftigt. Ihr war durch die Lebenssituation ihres verwitweten Vaters früh klar, dass sie im Alter nicht alleine sein will. Ein Seminar in Mainz zum Thema „Wohnkonzepte der Zukunft“ war damals Impulsgeber und sie fand schnell Gleichgesinnte. Angetrieben vom Wunsch, im Alter möglichst lange und selbstbestimmt und vor allem niemals einsam zu leben, entstand eine Arbeitsgemeinschaft rund um neue Wohnformen. Daraus wurde dann 2011 der eingetragene Verein gewoNR.

Kürzlich begrüßte der Verein herzlich das 30. Mitglied – bei einem ausgiebigen Frühstück in lockerer Plauderatmosphäre in der Gemeinschaftswohnung. „Das sind die Impulse, die wir uns wünschen und die uns näher zusammenbringen“, so Hildegard Luttenberger. „Die Gemeinschaft hier lebt von der Vielfalt, dem Miteinander und dem freundschaftlichen Austausch. Ob beim gemeinsamen Essen, Kartenspiel oder bei Ausflügen, die immer wieder organisiert werden.“ Jeder trägt zum Zusammenleben bei. So auch Hausbewohnerin Maria Wagner, die mit ihrer Trainerlizenz regelmäßig Angebote zur körperlichen Fitness ermöglicht. Wer will, macht einfach mit.

Aus Vision wurde endlich Realität

„Doch es war nicht ganz so leicht von der Idee bis zum Bezug der ersten Wohnungen“, erinnert sich Hildegard Luttenberger. Lange suchte sie engagiert aber erfolglos nach Investoren für die Umsetzung dieses Wohnkonzeptes. „Wir waren schon kurz davor aufzugeben“, so die 66-Jährige. „Es war ein zermürbender Prozess mit viel Engagement und zerschlagenen Hoffnungen.“ 2015 fand sich mit der GSG Neuwied eine Partnerin, mit der 2017 ein Kooperationsvertrag geschlossen wurde. Die Umsetzung folgte mit dem Bau des Zeppelinhofs.

Einige Wochen nach dem Einzug ist die Stimmung untereinander gut – obwohl es für jeden der Bewohner nicht ganz einfach war, das gewohnte Zuhause zu verlassen. Für Maria Wagner beispielsweise war die deutliche Reduzierung der eigenen Wohnfläche erst nicht denkbar. Dennoch hat sie sich nach reiflicher Überlegung auf das Wagnis eingelassen und ist froh über diese Entscheidung. Von anderen hört sie: „Was nützt mir ein großer Garten, wenn ich im Alter alleine bin.“

Leben in Gemeinschaft verspricht das Projekt

Mitbewohnerin Gisela Zils erklärt, dass es gerade die vielfältigen Möglichkeiten und die gesellschaftliche Anbindung sind, die den Reiz dieses gemeinschaftlichen Wohnens ausmachen und so entscheidend die Lebensqualität im Alter steigern. Aber auch andere Motivationen beschäftigen die Bewohner. Dorothee Flöck, mit 59 Jahren jüngstes Mitglied der Gruppe, erklärt: „Ich möchte nicht, dass meiner Tochter irgendwann die Verantwortung aufgelastet wird, mich zu pflegen. Ich wollte das seinerzeit für meine Eltern tun und ich weiß, wie belastend diese Situation sein kann.“

Allen ist klar, dass es mit fortschreitendem Alter nicht ohne soziale Pflegedienste geht. Aber anders als bei allein lebenden Senioren, die nur wenige Minuten am Tag betreut werden, vertrauen die Bewohner der gewoNR darauf, dass ihnen dieses einsame Schicksal erspart bleibt.

Der Verein informiert und begeistert

„Wurde der Verein noch vor einigen Jahren nicht ernst genommen, wird das öffentliche Interesse heute immer stärker“, so Hildegard Luttenberger. Gerade erst hat der Verein Landtagsabgeordnete der SPD im Gemeinschaftswohnzimmer begrüßt. Die Lokalpresse und der SWR berichteten erst kürzlich. Das ist kein Zufall, sondern resultiert aus der engagierten Arbeit des Vereinsvorstands. Der Verein präsentiert sich aktiv, zuletzt bei der Seniorenmesse in Vallendar und ist seit Jahren engagiert bei öffentlichen Projekten, wie einer Beet-Patenschaft in der Neuwieder Innenstadt oder als „Kümmerer“ für den Bücherschrank. Um zu informieren, bietet der Verein im Gemeinschaftsraum zeitnah eigene Angebote an.

Sehr am Herzen liegt dem gewoNR die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum – ein Thema, dem sich auch die GSG Neuwied seit Jahren stellt. „Was nützt ein Wohnberechtigungsschein ohne den entsprechenden Wohnraum“, stellt Hildegard Luttenberger zu Recht fest. Vier der aktuellen Vorstandsmitglieder haben einen Wohnberechtigungsschein (WBS). Immer wieder kommuniziert der Verein die Problematik rund um bezahlbaren, barrierefreien Wohnraum. Bereits in der Vereinssatzung ist festgehalten, dass ein Mieterwohnprojekt vom gewoNR sozialen Wohnungsbau beinhalten muss. So wie im Zeppelinhof, wo die GSG Neuwied ein Drittel der Wohnungen unter öffentlicher Förderung stellte. Dadurch können auch Menschen mit WBS* Teil des Wohnprojekts werden.

Für die Zukunft sind sich Vereinsmitglieder und die Bewohner des Projekts gewoNR im Zeppelinhof einig: Es braucht vielfältige Wohnprojekte, die die Vision eines gemeinschaftlichen und selbstbestimmten Lebens im Alter ermöglichen. Denn wir alle wollen doch wohnen, wie wir leben wollen.

Die Homepage des Vereins ist unter www.gewonr.de zu finden und informiert sehr ausführlich über aktuelle Veranstaltungen und Projekte.

* Um Anspruch auf einen WBS zu haben, müssen bestimmte rechtliche Voraussetzungen erfüllt sein. Neben Wohnungsgrößen sind auch Einkommensgrenzen festgelegt.